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Günter Grass
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Ich hatte es bewusst vollkommen neutral formuliert und nichts von "von jetzt an unglaubwürdiger" geschrieben. Aber natürlich ändert sich die Sicht auf ihn, da diese auch durch seine Biographie bestimmt wird. Und sei es dadurch, dass man es für ehrenhaft hält, wie er vor dem Lebensende noch tabula rasa machen will.Ja. Aber die Frage ist doch, ob diese andere Sicht "gerechtfertigt" ist... Ob das Bekanntwerden spezifischer biographischer Umstände, noch dazu unter der Prämisse der Selbstbezichtigung, irgendwo taugt, einen Menschen unglaubwürdig zu machen.
Ich hatte ja schon irgendwo geschrieben, dass sich an seinen Leistungen und an der Beurteilung dieser dadurch nichts ändert.
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- Tom Joad
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Die Frage war auch gar nicht auf Deine Postings bezogen, die doch die Inseln in diesem Sumpf bilden.Ich hatte es bewusst vollkommen neutral formuliert und nichts von "von jetzt an unglaubwürdiger" geschrieben. Aber natürlich ändert sich die Sicht auf ihn, da diese auch durch seine Biographie bestimmt wird. Und sei es dadurch, dass man es für ehrenhaft hält, wie er vor dem Lebensende noch tabula rasa machen will.
Ich hatte ja schon irgendwo geschrieben, dass sich an seinen Leistungen und an der Beurteilung dieser dadurch nichts ändert.
Ich glaube auch nicht, dass es per se positiv sein muss, vor seinem Lebensende "ultima rasa" zu machen. Darum hatte ich mal wieder einen Satz nacheditiert... Es kommt schon darauf an, WER WANN WAS gesagt bzw. vertreten hat und WER WANN nichts mehr davon wissen will, wenn sein persönliches Verhalten angesprochen wird.
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- Gelöschter Nick
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Dass ich Grass nicht mag, weil ich ihn unsympathisch finde, seinen mir bekannten Werken nie etwas abgewinnen konnte und mir seine ewige Anti-Deutschland-Nörgelei immer schon mehr wie blinder Aktionismus gepaart mt Selbsthass vorkam, steht auf einem Blatt, und das lasse ich jetzt mal außen vor. Dass ich mich diebisch freue, dass er jetzt selber mal die moralische Keule, die er jahrzehntelang brachial gegen andere geschwungen hat, feste vor die Glocke geballert bekommt, kann ich sicher nicht verleugnen.
Aber irgendwie fühle ich mich hier missverstanden, daher nochmal klar und deutlich: Ich werfe ihm nicht vor, dass er in der Waffen-SS war. Es ist mir - klar gesagt - scheißegal. Mir ist es auch egal, ob er es aus Überzeugung oder als Mitläufer getan hat, oder warum auch immer. Mir ist auch egal, ob er damals erst 17 war und es daher als "Jugendsünde" zu betrachten ist oder nicht. Das ist seine Sache, und ein Urteil darüber steht mir nicht zu, da ich damals nicht gelebt habe und die Umstände nicht kenne, die seinerzeit herrschten und die sicher erheblich zu seiner Handlungsweise (und der von Millionen anderen) beigetragen haben. Ich bin auch nicht so vermessen, zu behaupten, dass ich - hätte ich damals gelebt - anders, besser, korrekter oder wie auch immer gehandelt hätte. Von meiner Persönlichkeitsstruktur her kann ich davon ausgehen, dass ich entweder mit voller Überzeugung dabei gewesen oder aber ein erbitterter Widerständler gewesen ware. Oder ich wäre doch nur ein feiger Mitläufer gewesen. Wer weiß...
Ich stoße mich nur an seinem späten Geständnis, dass für mich einen schalen Beigeschmack hat, nämlich den, dass es vielleicht nicht ganz freiwillig geschah. Warum sollte er jetzt damit rausrücken, nachdem er es über 60 Jahre verheimlicht hat, sogar vor seiner eigenen Familie? Da liegt der Verdacht nur zu nahe, dass er einer anstehenden Enthüllung seitens Dritter zuvorkommen wollte.
Aber auch wenn nicht: Er hätte es einfach früher sagen müssen, von vorherein. Oder er hätte die Klappe halten und nicht so lautstark über andere zu Gericht sitzen sollen, die nichts weiter "verbrochen" haben, als ein positives Nationalgefühl zu hegen.
Hätte er offensiv zu seiner "Jugendsünde" gestanden und seine heutige Haltung als Resultat eines Umdenkens deklariert, hätte ich vieles von dem, was er im Laufe der Jahre so von sich gegeben hat, in diesem Kontext wesentlich positiver und glaubwürdiger aufgefasst.
@ Tom Joad: Völlig richtig, ich würde mich sicher niemals dafür einsetzen, dass irgendwo ein "Stolperstein" an irgendwelche Opfer der NS-Zeit erinnert. Erstens widerspricht das meiner Lebenseinstellung, und zweitens (und in dem Zusammenhang noch viel wichtiger) gibt es eine geradezu inflationäre Anzahl anderer, die das "ewige Gedenken" zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben. Meiner Meinung nach krankt dieses Land am ewigen Blick in die Vergangenheit und ist dadurch blind für den dringend nötigen Blick in die Zukunft. Irgendwann muss mal Schluss sein mit dem Kapitel 33-45. Diese ewige Selbstkasteierei, zu der heute noch unschuldige Nachkriegsgenerationen genötigt werden, nimmt immer bedenklichere Ausmaße an und entwickelt sich kontraproduktiv zur Gesundung dieses Landes.
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- Donald
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Spricht dagegen nicht, daß diese "Beichte" in seiner Autobiographie erscheint? Also in einem Buch, an dem er sicherlich schon lange Zeit gearbeitet hat. Wäre er dazu genötigt gewesen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um einer "Bloßstellung" von anderer Seite zuvorzukommen, so wäre dies sicher weniger auf lange Sicht geplant sondern auf einem eher kurzfristigeren Wege geschehen.Ich stoße mich nur an seinem späten Geständnis, dass für mich einen schalen Beigeschmack hat, nämlich den, dass es vielleicht nicht ganz freiwillig geschah. Warum sollte er jetzt damit rausrücken, nachdem er es über 60 Jahre verheimlicht hat, sogar vor seiner eigenen Familie? Da liegt der Verdacht nur zu nahe, dass er einer anstehenden Enthüllung seitens Dritter zuvorkommen wollte.
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- Gelöschter Nick
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Das sehe ich auch so, auch in Verbindung damit, daß Unschuldslamm Grass gerne den Zeigefinger erhebt und anprangert.Ich denke, dass das gar nicht so sehr das Problem ist. Das Verschweigen in der Zeit danach wiegt für mich schwerer.
Man kann davon ausgehen, daß so ziemlich jeder, der heute 75 und älter ist, irgendwie mit den Nazis zu tun hatte. Entweder Partei oder SA/SS und natürlich erst recht Hitlerjugend.
Wer das alles konsequent ablehnt, vor allem SO konsequent, wie das viele nach dem Krieg, den ja nur die Widerstandskämpfer (selbst Speer hatte angeblich ein Führer-Attentat vorbereitet)
von sich behaupteten, wäre damals entweder geich von komplett beiseite oder zumindest ins KZ geschafft worden.
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Mich eigentlich nicht, denn ich kann seine Geheimnistuerei verstehen.Ich stoße mich nur an seinem späten Geständnis, dass für mich einen schalen Beigeschmack hat, nämlich den, dass es vielleicht nicht ganz freiwillig geschah. Warum sollte er jetzt damit rausrücken, nachdem er es über 60 Jahre verheimlicht hat, sogar vor seiner eigenen Familie? Da liegt der Verdacht nur zu nahe, dass er einer anstehenden Enthüllung seitens Dritter zuvorkommen wollte.
Mein Oppa war auch bei diesem Verein, wir haben uns oft darüber unterhalten. Nur erzählte er mir am Anfang auch immer das er nur Soldat inner Wehrmacht war. Nach Jahren habe ich durch Zufall eine Narbe auf der Innerseite des Arms gesehen und ihn daufhin festgenagelt. Mein Oppa, ein Ochse von Mann, fing hemmungslos an zuheuelen, vor Scham, das ich es herausgefunden hatte. Zur Zeit des Krieges, sagte er, war er ziemlich stolz darauf, auch hatte er nichts mit irgendwelchen Verbrechen zutun, aber als nach dem Krieg herauskam, was sogenannte Kameraden abgezogen haben, brach für ihn eine Welt zusammen und er schwor sich nie darüber zureden........
Aber auch wenn nicht: Er hätte es einfach früher sagen müssen, von vorherein.
Nun, da sie alle in einen Topf geschmissen haben, hätte ich auch nichts gesagt!
Oder er hätte die Klappe halten und nicht so lautstark über andere zu Gericht sitzen sollen, die nichts weiter "verbrochen" haben, als ein positives Nationalgefühl zu hegen.
Du weißt doch, was ein Positives Nationalgefühl jahrzehntelang in Deutschland bedeutet hat. Und unter dem Aspekt das die NPD in den Sechziger auch am Kommen war, kann ich seine Äusserungen zu diesem Thema ein wenig verstehen.
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- Copperhead
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Er wird einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst haben, nämlich als er als Schriftsteller bekannt wurde. Und als er dann bekannt war, sich nicht mehr getraut haben. Und jetzt noch klar Schiff machen wollen, bevor es nach seinem Tod möglicherweise ein anderer macht und er nicht mehr reagieren kann.Mich eigentlich nicht, denn ich kann seine Geheimnistuerei verstehen.
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- Gelöschter Nick
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Ich kann Deinen Opa auch verstehen! Ihm ist durch jahrelange Propaganda und/oder Erziehung ein Ideal eingebläut wurden, an das er geglaubt hat. Dann stellt sich dieses Ideal plötzlich als mörderisches System heraus, und alle, die daran geglaubt haben, gelten als mitschuldig, als Verbrecher. Dass Dein Opa damit nicht klargekommen ist, kann man ganz einfach nachvollziehen, wenn man sich mal ein seine Lage versetzt, und zwar mit einem ganz krassen Beispiel: Unsere Generation ist mit der Demokratie aufgewachsen. Uns wurde von Kindesbeinen an eingebläut, sie sei die einzig wahre Staatsform, und alle Staaten, die nicht demokratisch sind, seien irgendwie "schlecht". Wer hierzulande gegen die Demokratie ist, wird als Staatsfeind eingestuft und verstößt gegen Gesetze, genau wie die Widerständler im Dritten Reich, nur halt ohne Todesstrafe - so viel zum Thema Meinungsfreiheit. Jetzt stell Dir einfach mal vor, unsere Demokratie wird plötzlich abgeschafft und durch irgendein anderes System ersetzt, und mit einem Mal gelten alle, die jemals die Demokratie unterstützt haben, als Verbrecher und würden verfolgt. Wie würdest Du Dich dann fühlen?Mich eigentlich nicht, denn ich kann seine Geheimnistuerei verstehen.
Mein Oppa war auch bei diesem Verein, wir haben uns oft darüber unterhalten. Nur erzählte er mir am Anfang auch immer das er nur Soldat inner Wehrmacht war. Nach Jahren habe ich durch Zufall eine Narbe auf der Innerseite des Arms gesehen und ihn daufhin festgenagelt. Mein Oppa, ein Ochse von Mann, fing hemmungslos an zuheuelen, vor Scham, das ich es herausgefunden hatte. Zur Zeit des Krieges, sagte er, war er ziemlich stolz darauf, auch hatte er nichts mit irgendwelchen Verbrechen zutun, aber als nach dem Krieg herauskam, was sogenannte Kameraden abgezogen haben, brach für ihn eine Welt zusammen und er schwor sich nie darüber zureden........
Nun, da sie alle in einen Topf geschmissen haben, hätte ich auch nichts gesagt!
Ich werfe Grass nur vor, dass er sich - vor dem Hintergrund seiner Vergangenheit und vor allem dem Verschweigen derselben - so aufgeführt hat, wie er sich aufgeführt hat. Dein Opa ist doch sicherlich nicht hingegangen und hat jedem, der nur mal geäußert hat, dass er gerne in Deutschland lebt, rechtsradikale Tendenzen unterstellt, oder? Grass aber.
Ich könnte ihn auch verstehen, wenn er sich darauf beschränkt hätte, tatsächliche Nazis oder Rechtsradikale anzugreifen. Das war es aber nicht. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, Leute in diese Ecke zu stellen, die damit definitiv nichts zu tun haben, wie Adenauer, Kohl und neulich noch die begeisterten Fußball-Fans mit ihren Deutschlandfahnen.Du weißt doch, was ein Positives Nationalgefühl jahrzehntelang in Deutschland bedeutet hat. Und unter dem Aspekt das die NPD in den Sechziger auch am Kommen war, kann ich seine Äusserungen zu diesem Thema ein wenig verstehen.
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Genauso sehe ich das auch, ihn aber deswegen nun niederzumachen, finde ich reichlich überzogen.Er wird einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst haben, nämlich als er als Schriftsteller bekannt wurde. Und als er dann bekannt war, sich nicht mehr getraut haben.
Ganz egal, ob man ihn mag, oder nicht.
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