file Günter Grass

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14 Aug. 2006 15:52 #503983 von Big Hunk
Big Hunk antwortete auf Günter Grass

Nun, wenn er einen Preis bekommt als Auszeichnungen für seine Haltung, und sich dann herausstellt, dass seine ganze edle Haltung auf einer großen Lüge beruht (ja, auch verschweigen ist eine Form der Lüge, vor allem, wenn man es anderen vorhält), dann hat er sich diese Auszeichnung ja quasi erschwindelt. Wie beim Sport mit einer positiven Doping-Probe.

OK, Preise, die man ihm für seine Meinung, Haltung und Vorbildfunktion verliehen hat, also quasi, weil er ein herzensguter Mensch ist, sind sicherlich fragwürdig, aber Preise, die er für erzählende Bücher bekommen hat, sollten m. E. nicht in Frage gestellt wereden.

Und m. E. war es nicht der Friedens-Nobelpreis für seine Anti-Nazi-Meinung, sondern einer für Literatur.

Ferner erhielt er (Quelle: Wikipedia):

1965 wurde Grass der Georg-Büchner-Preis verliehen, „für sein Werk in Lyrik und Prosa, worin er kühn, weitausgreifend und kritisch das Leben unserer Zeit darstellt und gestaltet.“

1967 wurde er mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet.

1994 verlieh ihm die Bayerische Akademie der Schönen Künste ihren Großen Literaturpreis.

1995 wurde Grass mit der Hermann-Kesten-Medaille ausgezeichnet,

1966 mit dem Thomas-Mann-Preis der Stadt Lübeck und dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis.

1999 ehrte ihn Spanien mit dem Prinz-von-Asturien-Preis für Geisteswissenschaften und Literatur.

Seit 2005 ist er Ehrendoktor der Freien Universität Berlin.



Ich denke mal, die Jurys und Gremien und Klugscheißer, welche ihm sowas verliehen, werden jetzt vielleicht zuweilen enttäuscht sein, aber sicher nicht alle lautstark fordern, er möge alles wieder abgeben und sich am besten gleich umbringen.


Allerdings: Den "Ehrenbürger der Stadt Danzig" könnte man dann doch revidieren, den DEN hätten ihm die Polen nie gegeben, wenn seine SS-Zugehörigkeit bekannt gewesen wäre.

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14 Aug. 2006 15:53 #503984 von Gelöschter Nick
Gelöschter Nick antwortete auf Günter Grass

Aber dass genug Alt-Nazis in Ämtern der Adenauer-Zeit zu finden waren, steht außer Frage. Spontan fällt mir da der BND ein, bei dem sogar in der Chef-Etage Ex-Nazis-Granden gearbeitet hatten...

Das ist richtig, doch sollte man das etwas differenzierter betrachten. Es gab im Dritten Reich jede Menge Mitläufer und Opportunisten, die der Partei nur beigetreten sind, um ihren Job zu behalten und ihre Familie zu ernähren - oder um sich und ihre Familie vor Repressalien der Nazis zu schützen. Die kann man nicht in eine Topf werfen mit Massenmördern, Kriegstreibern und Chefideologen.

Man darf auch nicht vergessen, dass es bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 unmöglich war, eine ausreichende Menge an völlig unvorbelasteten Leuten zusammenzutrommeln, um den Staat ans Laufen zu bringen, da so gut wie jeder noch lebende männliche Zeitgenosse in irgendeiner Form verstrickt war, weil es quasi gar nicht anders ging. Warum sollte nicht jemand eine Kostenstelle oder eine Verwaltung leiten, der es kann, selbst wenn er es unter Hitler auch schon gemacht hatte? Nicht tragbar waren natürlich richtige Verbrecher, aber davon gab es unter Adenauer meines Wissens keine.

Man darf nicht vergessen, dass es auch in der frisch gegründeten DDR so war, dass auf Leute zurückgegriffen wurde, die bereits unter den Nazis ihre Ämter inne hatten. Und als selbige Ende der 80er zusammenbrach, musste man auch auf alte SED-Leute zurückgreifen, weil sie den Laden kannten und es außerdem nicht viele andere Möglichkeiten gab.

Außerdem hat Grass der Adenauer-Regierung ja nicht angekreidet, dass da ehemalige NSDAP-Mitglieder am Start waren. Er hat geäußert, dass die Adenauer-Ära von einer noch schlimmeren Kleinbürgerlichkeit und Spießigkeit geprägt war als das Nazi-Regime. Diesen unangemessenen Vergleich finde ich extrem widerwärtig. Immerhin hat Adenauer es geschafft, den von zwei Weltkriegen arg mitgenommenen Menschen so etwas wie Frieden, Hoffnung und Sicherheit zu geben, und dann sogar noch in enorm kurzer Zeit einen beachtlichen Wohlstand. Und er hat dem neuen Deutschland zu internationalem Ansehen verholfen. Das im Nachhinein auf eine solche ekelhafte Art und Weise noch unterhalb der Nazis anzusiedeln, ist eigentlich ein Grund, ihn zu teeren und zu federn und aus dem Land zu jagen.

Und wenn Adenauer, der eine weiße Weste hatte und selber unter den Nazis zu leiden hatte, von einem ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS so beschimpft wird, dann ist das einfach untragbar.

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14 Aug. 2006 15:57 #503988 von Gelöschter Nick
Gelöschter Nick antwortete auf Günter Grass

Und m. E. war es nicht der Friedens-Nobelpreis für seine Anti-Nazi-Meinung, sondern einer für Literatur.

Ja, es war der Literatur-Nobelrpeis, und den hätte er als ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS nie bekommen. Und auch bei diesem sowie vielen der von Dir aufgezählten Preise spielte seine öffentliche Haltung eine große Rolle, denn er wurde nie nur als reiner Autor, der zurückgezogen seine Bücher schreibt, geehrt, sondern immer als lautstarker Mahner und moralisches Gewissen der Republik.

Allerdings: Den "Ehrenbürger der Stadt Danzig" könnte man dann doch revidieren, den DEN hätten ihm die Polen nie gegeben, wenn seine SS-Zugehörigkeit bekannt gewesen wäre.

Genau diese Auszeichnung meinte ich auch mit abzuerkennender Ehrenbürgerschaft.

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14 Aug. 2006 20:18 #504047 von Datcheffe
Datcheffe antwortete auf Günter Grass
Michael,

was ziehst du dich denn jetzt daran so hoch, nur weil Grass inner Waffen SS war???

Der Mann ist mit 17 Jahre dorthin gegangen, nachdem er 11 Jahre lang *Adolfisiert* worden war. Er wurde gezogen , wollte zur Ubootwaffe, hat man damals als Elite angesehen, nur die haben keinen mehr genommen. Was meinst du wieviele Jungens sich damals da gemeldet haben? Jeder, der etwas im Kopf hatte, hat versucht zur Waffen SS zukommen, einfach aus dem Grund, weil sie noch einigermaßen gut ausgerüstet war und nicht so ausgeblutet wie die Wehrmacht. So makaber es klingt, aber da waren die Überlebenschancen wesentlich höher als anderswo.

Nicht jeder war damals ein Nazi, nur weil er sich zur Waffen SS gemeldet hat. :naughty:

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14 Aug. 2006 20:40 #504055 von Colonel
Colonel antwortete auf Günter Grass
Ehrlich gesagt ist es mir persönlich sowas von Wurscht, wer 1933-1945 wo und wann gedient hat oder ob jemand damals ein Parteibuch besessen hat. Es ist verdammt nochmal über 60 Jahre her.
Damals sind viele aus Angst in die Partei eingetreten und viele aus Not zum Militär gegangen. KEINER von uns kann 100% ausschließen, daß er es nicht auch getan hätte.
Wenn man jemand ein Verbrechen nachweisen kann, so soll er verurteilt werden (Wenn das bei Grass ans Licht käme, könnte ich Michaels Zorn verstehen, wenn nicht, dann Ende), ansonsten sollte man langsam aber sicher endlich mal einen Schlußstrich ziehen. Ja wir müssen unseren Kindern und Enkeln von der Nazi-Zeit berichten,aber nicht NUR, sondern es gab auch eine deutsche Geschichte vor 1933 und nach 1945.

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14 Aug. 2006 20:40 #504056 von Copperhead
Copperhead antwortete auf Günter Grass

was ziehst du dich denn jetzt daran so hoch, nur weil Grass inner Waffen SS war???

Ich denke, dass das gar nicht so sehr das Problem ist. Das Verschweigen in der Zeit danach wiegt für mich schwerer.

Jedoch denke ich, dass sich hier in diesem Thread hauptsächlich daran erfreut wird, wie eine ungeliebte Person vom Sockel stürzt (durchaus von einem, den diese Person selbst kräftig miterstellt hat). Da wird sich sogar um Ehrenbürgerschaften in Polen gekümmert, während man in anderen Threads alle Ausländer am liebsten vor die Tore Deutschlands setzen würde. Da wird undifferenziert alles niedergemacht, was dieser Mann in den letzten 60 Jahren geleistet hat. Da wird plötzlich die Moralkeule hervorgeholt, die man selbst bei ihm kritisiert. Und da man gerade mit ihr so schön am Schwingen ist, werden gleich noch reihenweise weitere Dinge unterstellt.

Grass ist einfach eine Person, die an ihren eigenen Ansprüchen und Vorstellungen gescheitert ist. Nicht die erste, wahrscheinlich nicht mal die wichtigste. Für mich persönlich sogar literarisch und erst recht moralisch eine völlig unbedeutende. Trotzdem bleibt das, was er bewirkt, angeregt und formuliert hat, bestehen.

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14 Aug. 2006 20:48 #504058 von Maniac
Maniac antwortete auf Günter Grass

Nun wird er von Leuten wie Joachim Fest zerpflückt, ...

mich wundert es nur, das er ihn erst jetzt vorführt, das Thema ist meiner Erinnerung nach schon etwas älter. Ich meine, darüber bereits eine Doku auf WDR oder auf dem History Channel gesehen zu haben, müßte allerdings bereits ein 3/4-/, wenn nicht sogar ein Jahr her sein.

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15 Aug. 2006 01:17 #504116 von Tom Joad
Tom Joad antwortete auf Günter Grass
Ich maße mir nicht an, die Biographie eines Menschen nach seinem Verhalten als 17jähriger zu kritisieren. Dafür kenne ich mich selbst zu gut.

Grass hat in einer besonderen Zeit einen "normalen" Fehler gemacht. Und diesen Fehler nun SELBST vor der Weltöffentlichkeit aufgedeckt. Es war ein Fehler, den er für sich selbst hätte behalten können. Andere haben diesen Fehler damals nicht gemacht, sondern sogar gegen dieses System rebelliert. Deren Namen kennt man heute in der Öffentlichkeit nicht mehr und ich bezweifle, dass ein M.W. sich jemals dafür eingesetzt hat, einen dieser Namen nur durch einen "Stolperstein" oder eine Strassenbenennung am Leben zu erhalten. Nun aber haben wir den den Grass als Pharisäer.

Dass die meisten selbst dann auf ewig leugnen, wenn sie von anderen mit dokumentierten, unwiderlegbaren Beweisen konfrontiert werden, ist bekannt. Es war Grass sicher auch bewusst, dass manche versuchen werden, dieses Lebensgeständnis auszunutzen (dieser Thread bietet Musterbeispiele). Daran aber, dass man seine "Lebensbeichte" auch als "Verkaufsargument" auslegen könnte, wird er wohl keinen Gedanken verschwendet haben. Dieser Zynismus existiert nur in einer Welt, wo es ausschliesslich um "Karrieren" geht, nicht um Biographien und zwangsläufig eingeschlossene Irrwege und Irrtümer.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Für Teilnehmer an einem konkreten Verbrechen kann es auch nach 60 oder mehr Jahren keine Absolution geben. Wenngleich die meisten dieser Verbrecher sich nach dem Abklingen des Massenwahns wohl psychisch ihre eigene Strafe verpasst haben. Grass aber hat an keinem Verbrechen teilgenommen. Er war als Jugendlicher kurzzeitig Mitglied einer verbrecherischen Organistation, die darüberhinaus staatlich nicht nur anerkannt sondern auch gesellschaftlich glorifiziert war. Mit diesem Umstand hat er GLAUBWÜRDIG gebrochen. Und sich weiters für eine Gesellschaft eingesetzt, in der solche Irrungen nicht mehr als normal empfunden werden. Mehr kann man aus seiner Vergangenheit nicht lernen, als dass man sich dafür einsetzt, dass niemals mehr jemand den gleichen Fehler begehen kann.

Ich finde es EHRENHAFT, dass Grass nun von sich aus die Karten auf denTisch gelegt hat. Sein Geständnis sollte zum Nachdenken anregen über die Verführbarkeit des Menschen und über die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung jedes einzelnen Individuums.

Wer ihm nun seine literarischen und gesellschaftlichen Verdienste absprechen will, hat nicht begriffen, dass dieser Grass nur so geworden ist, weil er Lebens-Erfahrungen gemacht hat, die für ihn essentiell waren.

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15 Aug. 2006 01:23 #504118 von Copperhead
Copperhead antwortete auf Günter Grass

Sein Geständnis sollte zum Nachdenken anregen über die Verführbarkeit des Menschen...

Die er bezüglich seiner eigenen Person übrigens nie abgestritten hat.

Wer ihm nun seine literarischen und gesellschaftlichen Verdienste absprechen will, hat nicht begriffen, dass dieser Grass nur so geworden ist, weil er Lebens-Erfahrungen gemacht hat, die für ihn essentiell waren.

Eben. Seine Sicht der Dinge hat sich durch das Geständnis ja nicht geändert. Wenn, dann höchstens unsere Sicht auf ihn.

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15 Aug. 2006 01:41 #504127 von Tom Joad
Tom Joad antwortete auf Günter Grass

Eben. Seine Sicht der Dinge hat sich durch das Geständnis ja nicht geändert. Wenn, dann höchstens unsere Sicht auf ihn.

Ja. Aber die Frage ist doch, ob diese andere Sicht "gerechtfertigt" ist... Ob das Bekanntwerden spezifischer biographischer Umstände, noch dazu unter der Prämisse der Selbstbezichtigung, irgendwo taugt, einen Menschen unglaubwürdig zu machen. Also einen, der jahrzehntelang seine Linie vertreten hat, nicht einen wie Richter Schill, der populistisch als Schaffner auf Züge aufspringt, deren Insasse er schon längst ist, ohne jemals eine Fahrkarte gelöst zu haben.

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