Ein Gedanke zu Gladys Tod

Glaubt ihr, dass Elvis' Trauer über Gladys Tod etwas übertrieben dargestellt wird? 

Immer wieder liest man, Elvis sei nie darüber hinweg gekommen, dass er keinen Halt mehr gefunden habe. Dass sogar sein späterer Abstieg damit in Verbindung gebracht wird, und sein früher Tod. Dass er in Depressionen abgerutscht sei. Gladys hätte all dies verhindern können…

Er hatte eine sehr enge Bindung zu ihr. Aber stimmt die Annahme, dass er es nie verwunden hat? Er hatte ein paar Tage frei nach ihrem Tod. 
Aber dann hat er seine Dinge wieder erledigt. Er hat bei der Abreise nach Deutschland, kurze Zeit später, wieder lockere Interviews gegeben, und gesagt, dass er sich auf die Zeit in Europa freue. Und was er alles vorhatte, zu tun. Er hat brav seinen Dienst verrichtet.

Es gibt keine Berichte von irgendwelchen Aussetzern oder depressiven Phasen. Ich meine, ich denke nicht, dass die Armyzeit die glücklichste seines Lebens war. Aber hat er sich nicht ganz normal verhalten, wie jeder junge Mensch, dessen Mutter viel zu früh gestorben ist? 

Ein Kamerad schrieb, dass er manchmal in sich versunken wirkte, aber sobald er angesprochen wurde, war er sofort voll da und stets freundlich, zugewandt und positiv. Schafft das jemand, der vor Kummer vergeht?  Elvis war mMn schon immer, auch vor Gladys Tod, eher introvertiert und einfach ein stiller, nachdenklicher Typ. 

Was denkt ihr? 

 

Ein Thema in das man sich tief versenken könnte, wenn es nicht schon so ein Tiefgang hätte !

Mir fällt dazu nur der '62 Monolog (eigentl. editiertes Interview) auf der Silberbox ein, wo er mit sehr nachdenklicher Stimme ein paar Gedanken hierzu erzählt. Und obwohl das zu dem Zeitpunkt schon etwas zurückliegt, spürt man immer noch seine Betroffenheit.

"What I look at myself as ... not really playing everything down, but .... as a human being has been extremely fortunate in so many ways, although I have had and still have some very lonely and you know ... there a times when I really don't know ... it feels like I don't know what I'm gonna do next. But I've experienced a lot of different phases in life, I've experienced happiness and loneliness, the wealthy side of life, the average side of life, you know, not having anything, but not knowing what it's like to have anything, so .... and tragedy, like loosing my mother while I was in the army. Although I think, that things like that, as tragic as they are, tend to make you a little better human being, really, 'cause you learn more about yourself. It gives you a better understanding of yourself as well as other people ... and it can only help. It's funny, she never wanted anything, anything fancy, she stayed the same all the way through the whole thing. I wish ... you know, there's a lot of things happened, since she passed away, that I wish she could have been around to see, it would have made her very happy and very proud." 

Auf den ersten Bildern nach Elvis' Rückkehr aus Deutschland wirkt er sehr zerbrechlich und schwach. Besonders gut zu erkennen als er mit diesem Gitarren-Kuchen vor Graceland fotografiert wurde (siehe z. B. auch Back-Cover von FTD "Fame And Fortune"). Meiner Einschätzung nach hängt dies sicherlich mit dem Tod von Gladys zusammen.

Nur wenige Monate später jedoch (z. B. die Fotos von Don Cravens vom August 1960) wirkt Elvis sehr vital und froh. 

Der Song "That's Someone You Never Forget" wurde ja angeblich für Gladys geschrieben, für mich eine von Elvis' besten gesanglichen Leistungen, er gibt diesem Song eine wahrlich gespenstische Stimmung. Wie unser Mann sanft die Melodie trägt, die zurückhaltende Instrumentierung, das wurde perfekt umgesetzt. Für mich einer der besten "Allein-im-Dunkeln-Musik-hören"-Songs. 

Und, man mag darüber streiten, aber ich bin auch sehr angetan von seiner Darbietung des Songs "Mama". 

Wie lange und in welcher Stärke seine Trauer angehalten hat, welche Folgen dies für Elvis' Leben hatte, darüber kann nur spekuliert werden. Aber man sollte sich vor Augen halten: Elvis hat den Film "Loving You" nach dem Tod seiner Mutter niemals wieder angesehen. 

Das hat man schon oft gelesen ... aber auf der anderen Seite sollte man sich fragen: hat Elvis jemals wieder seine Filme, z. B. "Double Trouble" angeschaut? 

Es wird für immer ein Geheimnis bleiben - wie so vieles in der Elvis-Welt. 

 

Ja okay, aber sind denn solche Gedanken, wie in diesem Interview, nicht normal? 
Dass man sich wünscht, ein geliebtes Elternteil hätte eine Entwicklung noch erleben können? Vor allem, wenn man stolz auf irgendetwas ist? 


Nur so ein Beispiel: 
Wir haben 2011 ein sehr altes Haus in sehr desolatem Zustand gekauft. Mein Vater hat die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Er sagte: 
"Kinder, damit werdet ihr nie fertig! Katastrophe!"
Nun, ein Jahr später war das Haus saniert und ist zudem wunderschön geworden. Leider ist mein Vater in der Zwischenzeit verstorben.
Ich wünsche mir sehr, dass er vom Himmel aus sehen kann, dass er sich keine Sorgen machen muss. 


Aus solchen Gedanken leite ich aber nicht ab, dass da jemand vor lauter Trauer abschmiert. 

Moreno schrieb:

Auf den ersten Bildern nach Elvis' Rückkehr aus Deutschland wirkt er sehr zerbrechlich und schwach. Besonders gut zu erkennen als er mit diesem Gitarren-Kuchen vor Graceland fotografiert wurde (siehe z. B. auch Back-Cover von FTD "Fame And Fortune"). Meiner Einschätzung nach hängt dies sicherlich mit dem Tod von Gladys zusammen.

Das stimmt. Es soll ihm sehr schwer gefallen sein, in das "leere" Haus zurück zu kehren. Er war ja bis dahin stets woanders gewesen. Wahrscheinlich ist ihm der Verlust erst dann so richtig bewusst geworden.
Also, dass sein geliebtes Graceland nie wieder so sein würde wie früher. Alles erinnerte an sie.

Moreno schrieb:

Elvis hat den Film "Loving You" nach dem Tod seiner Mutter niemals wieder angesehen.  

Das wusste ich gar nicht. 

Man kann aber darüber nur spekulieren ob Elvis nach ihrem Tod so lebte wie er lebte. Nach der Rückkehr scharrte er in Graceland immer seine Buddies um sich , die auch teilweise auf dem Grundstück mit ihm lebten. In Deutschland holte er sehr schnell seinen Vater und die Oma nach. Der Tod kann ein Auslöser dafür sein, dass er quasi nie allein sein wollte. 

Harty schrieb:

Man kann aber darüber nur spekulieren ob Elvis nach ihrem Tod so lebte wie er lebte. Nach der Rückkehr scharrte er in Graceland immer seine Buddies um sich , die auch teilweise auf dem Grundstück mit ihm lebten. In Deutschland holte er sehr schnell seinen Vater und die Oma nach. Der Tod kann ein Auslöser dafür sein, dass er quasi nie allein sein wollte. 

Aber war denn nicht ohnehin geplant, dass Gladys und Vernon ihn nach Deutschland begleiten, und die Oma praktisch eingesprungen ist?

Honeybee schrieb:

Aus solchen Gedanken leite ich aber nicht ab, dass da jemand vor lauter Trauer abschmiert. 

Nein, eben, er ist eher reflektiert. Meine Antwort zur Eingangsfrage wäre sowieso "Ja". Ist doch meist sehr dick aufgetragen, was man da so alles hineininterpretiert. Aber Du weißt ja, dass ich bei solchen Sachen nicht wirklich mitreden kann, wollte aber zumindest einen kleinen Beitrag leisten. 

Ich denke auch, Mike S. 
Da wird so gerne erwähnt, dass er sich auf den Sarg geworfen hätte, dass er ununterbrochen geweint habe, dass er gestützt werden musste, als er aus dem Auto aussteigen wollte. 

Mag ja alles sein. Ich finde das aber nicht so außergewöhnlich, wenn man ein enges Verhältnis zum Verstorbenen hatte. Zumal Gladys Tod doch recht plötzlich kam. 
Es geht ja mehr darum, ob man es schafft, diese tiefe Trauer zu überwinden. Und da würde ich mal wagen zu sagen, dass er das schon irgendwann hingekriegt hat.